3. Mai 2021

AUSTAUSCH

Geschichten aus dem Storytelling-Workshop

 
 
 

Wir leben aktuell in einer globalen Pandemie, viele von uns verbringen sehr viel Zeit daheim und in den Austausch mit anderen treten wir vor allem über digitale Medien. Mit der Gründung des KOSMOSZWEI war es uns von Anfang an wichtig, dass wir den Raum unter anderem eröffnen, um miteinander in den Austausch zu kommen, um voneinander zu lernen und uns gegenseitig zu inspirieren. Mit dem Storytelling-Workshop unter der Leitung von Hanna haben wir für uns ein tolles Mittel gefunden, (welches auch im digitalen Raum funktioniert) uns über Erlebnisse aus dem letzten Jahr in einer reflektierenden und wertschätzenden Art auszutauschen. Hanna hat die Gruppe wunderbar an die Hand genommen, so dass viele kleine feine und vor allem sehr ehrliche Geschichten geschrieben wurden. Die Geschichten haben uns sehr berührt und wir danken allen Teilnehmenden, dass sie sich auf den Austausch eingelassen haben. Hier könnt ihr nun drei Geschichten lesen, die in dem Workshop entstanden sind.


DIE WELT STEHT DIR OFFEN

„Die Welt steht dir offen“ haben sie gesagt! „Du kannst tun und lassen was Du willst“ haben sie gesagt! Aber was ist das was ich will? Die Entscheidung lag mir schwer auf dem Herzen, sie engte mich ein und schnürte mir die Luftröhre zu.

Vollen Mutes kündigte ich damals meinen sicheren Job. Keine einfache, aber eine gut überlegte Entscheidung. Raus aus meinem gewohnten Umfeld, in die weite Welt, etwas Neues erleben. Aus der mutigen, scheinbar schwerelosen Entscheidung wurde schnell Ernüchterung. Die Pandemie nahm man mir die Möglichkeiten im Ausland zu arbeiten. Aber was nun? Eine Alternative musste her.
Die Möglichkeiten überforderten mich, die Gedanken kreisten. Woher soll ich wissen, welche Entscheidung die Beste ist, wenn ich sie nicht erst einmal ausprobiert habe? Woher soll ich wissen, ob Weg A oder B der geeignetere ist, wenn beide ins Ungewisse führen? Woher soll ich wissen, ob mir das Kleid steht, wenn ich es nicht einmal getragen habe? Am Kleiderbügel sehen alle Kleider hervorrang aus! Aber welches passt zu mir?

Letztendlich waren es viele Gespräche mit Freund:innen und der Familie, die mir halfen das richtige Kleid auszuwählen. Innerlich hatte ich die Entscheidung wohl bereits getroffen, aber es waren eben diese Gespräche, die mich darin bestärkten und mir die Leichtigkeit zurückbrachten. Eins habe ich gelernt, am Ende doch immer um eins geht: Egal wie man sich entscheidet, es geht nur darum was man daraus macht. Keine Entscheidung ist endgültig, und kann immer auch zurückgenommen werden. Kleider kann man umnähen und Wege neu pflastern.


DAS VIRTUELLE LEBEN UND DER WELTSCHMERZ

Ein alltäglicher Moment: Mein Freund und ich sitzen im Auto und unterhalten uns – Das virtuelle Leben holt uns trotzdem ein.

Eben noch sah ich bei Instagram, dass man jetzt in Krankenhäusern versucht Patienten auf der Intensivstation zu helfen, indem man ihnen, mit warmem Wasser gefüllten Handschuhen an den Händen, das Gefühl gibt jemand halte Ihre Hand. Das hat wohl tatsächlich einen medizinischen Effekt. Ich fühle einen Kloß im Hals und erzähle meinem Freund davon.

Seine Reaktion ist anders als erwartet. Er wirkt besorgt über meinen Hang zu negativen, traurigen oder ergreifenden Schlagzeilen. Ich schäme mich. Seit der Pandemie bin ich sehr viel in sozialen Medien unterwegs und auch andere Apps beanspruchen mich mehr, als ich zugeben wollen würde. Aber will ich nicht einfach informiert bleiben? Und ist es nicht einfach empathisch so zu reagieren?

Nein, es ist nicht einfach nur Information und Empathie. Sich in das Schicksal anderer Menschen über soziale Medien emotional reinziehen zu lassen ist auch Manipulation der Konzerne dahinter. Gleichzeitig hilft es niemandem, wenn ich mich in dem Moment traurig fühle. Ich muss den Weltschmerz nicht zu meinem Schmerz machen. Ich kann mich distanzieren und trotzdem informiert bleiben. Das ist nicht einfach, aber Selbstschutz darf nicht zu kurz kommen – Das merke ich in dem Moment und bin froh über den Menschen an meiner Seite, der mir ab und zu einen Stupser in die richtige Richtung gibt.


GELASSENHEIT 

Nach einer ausgiebigen Yoga- und Entspannungseinheit sollten doch alle ganz ruhig sein. Doch alle sprechen durcheinander, die Töpfe klappern, Fragen schnellen mir entgegen, aber irgendwie hört niemand mir zu. Ich stehe vor dem Laptop in der Küche und soll eine bunt gemischte Gruppe an Leuten anleiten, wie sie eine eigentlich ziemlich leckere Linsensuppe kochen soll. Bei dem Chaos frage ich mich allerdings, ob heute überhaupt jemand satt wird. Das hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt, als wir uns überlegt haben es doch einmal mit Online-Retreats auszuprobieren. Als wir vor ein paar Monaten den KOSMOSZWEI gegründet haben, haben wir uns lange Wochenenden in schönen Häusern mit Naturerfahrungen, Yogaeinheiten und viel gemeinschaftlicher Zeit ausgemalt. Dabei sollte für das kulinarische Wohl sorgen. Nun gibt es aber aktuell keine gemeinschaftliche Zeit vor Ort und jede:r muss für sich selber nach meiner Anleitung kochen.

Ich atme also noch einmal tief durch und übe mich in Gelassenheit. Erläutere zehnmal dass die Kokosmilch ganz zum Schluss dazugegeben wird und sich jede:r am Tisch individuell Koriander über die Suppe geben kann. Dabei lächle ich viel und vertraue auf das Rezept und, welches wirklich richtig gut ist und keine großen Fehler zulässt.

Am Ende des ersten Online-Retreats sitzen wir ziemlich platt, aber glücklich zusammen verteilt an Esstischen quer durch Deutschland bis in die Schweiz. Der Abend lief vielleicht nicht perfekt aber geschmeckt hat es wohl allen und am wichtigsten, niemand musste alleine essen! Nun haben wir schon insgesamt fünf Online-Retreats veranstaltet und dabei vieles anpassen können aber vor allem gemerkt, dass wir auch im digitalen Raum eine Gemeinschaft sein können. In der realen Welt schlummern sicherlich noch so einige Herausforderungen für den KOSMOSZWEI aber ich bin mir sicher, dass ich ihnen zusammen mit Juliane mit Gelassenheit und vielen tollen Ideen begegnen kann.

5